Schmerz ist ein komplexes und subjektives Empfinden, das jeder Mensch unterschiedlich erlebt. Es ist eine natürliche Reaktion des Körpers, die uns signalisiert, dass etwas nicht in Ordnung ist. Doch was genau ist Schmerz, wie entsteht er und wie können wir Einfluss auf ihn nehmen?
WAS IST SCHMERZ?
Schmerz ist ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das mit tatsächlicher oder potenzieller Schädigung des Gewebes verbunden ist. Diese Definition hast Du vielleicht schon einmal gehört. Doch so einfach ist es nicht. Tatsächlich gibt es verschiedene Schmerzmodelle, und obwohl diese klassische Erklärung weit verbreitet ist, basiert sie auf einem veralteten - fast 400 Jahre alten - Verständnis von Schmerz. Moderne Schmerzforschung zeigt, dass Schmerz ein komplexes Phänomen ist, das weit über einfache Gewebeschädigungen hinausgeht und sowohl körperliche als auch psychologische Faktoren umfasst.
WIE ENTSTEHT SCHMERZ?
Schmerz entsteht nicht direkt in dem Körperteil, der wehtut, sondern im Gehirn. Um dieses Prinzip zu verstehen, muss man wissen, dass das Gehirn ständig damit beschäftigt ist, uns am Leben zu erhalten und in Sicherheit zu bringen. Wenn das Gehirn eine potenzielle Gefahr wahrnimmt, reagiert es, indem es Signale aussendet, die unser Verhalten ändern sollen, um uns vor dieser Gefahr zu schützen. Schmerz ist vielleicht das eindringlichste dieser Signale, aber bei weitem nicht das einzige.
Stell dir vor, Du knickst bei einem Spaziergang um und verspürst sofort Schmerz im Knöchel. Das Gehirn sendet dieses Signal, um Dich dazu zu bringen, dich zu schonen und die Verletzung nicht zu verschlimmern. Wenn Du jedoch beim Überqueren einer Straße umknickst und ein Auto auf Dich zukommt, reagiert Dein Gehirn anders. In dieser Situation überlagert das Signal „weiterlaufen“ das Schmerzsignal, um Dich aus der unmittelbaren Gefahr zu bringen. Erst nachdem Du in Sicherheit bist, tritt der Schmerz in den Vordergrund, um Dir zu signalisieren, dass Du den Knöchel schonen solltest.
Das Ziel des Gehirns ist es, je nach Situation den Körper zu aktivieren oder zur Ruhe zu bringen, um die bestmögliche Reaktion auf die wahrgenommene Gefahr zu gewährleisten.
Schmerzwolken und der Schmerzfluss
Stell Dir die Gefahrensignale, die unser Körper täglich wahrnimmt, wie einen Fluss vor, der ständig Wasser führt. Jede kleine Gefahr ist wie eine Regenwolke, die dem Fluss Wasser hinzufügt. Welche Regenwolke über diesem Fluss abregnet, hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. Für manche Menschen zieht die Regenwolke des Arbeitsstresses unbemerkt weiter, weil sie gelernt haben, dass Arbeit auch mal warten kann. Für andere hingegen entleert sich diese Wolke vollständig und belastet ihren Fluss erheblich.
Wenn der Pegel des Flusses steigt und immer mehr Regenwolken – die nicht nur Stress und physische Verletzungen, sondern auch Sinnesstörungen oder Aspekte wie Ernährung und Schlaf umfassen – über dem Fluss abregnen, beginnt der Fluss überzulaufen. Das ist der Moment, in dem unser Gehirn ein Signal aussendet, das uns dazu auffordert, unser Verhalten zu ändern. Dieses Signal kann Schmerz sein, muss es aber nicht!
Schmerz ist ein komplexes Phänomen, das viele Ursachen haben kann. Die Physiotherapie bietet zahlreiche Möglichkeiten, ihn zu behandeln, indem sie sowohl körperliche, mentale und verhaltenstechnische Aspekte berücksichtigt. Indem wir lernen, den Fluss im Gleichgewicht zu halten, können wir Schmerz besser kontrollieren und unser Wohlbefinden nachhaltig verbessern.